Erbschaften machen 6 Prozent des Schweizer Bruttosozialprodukts aus

Schweiz als Land des Erbens
Erbschaften machen 6 Prozent des Bruttosozialprodukts aus
In der Schweiz sind Erbschaften häufiger und höher als in anderen Ländern. Zwei Drittel aller Schweizerinnen und Schweizer haben geerbt oder erwarten eine Erbschaft. Wie eine Studie des Nationalfonds zeigt, wurden im Jahr 2000 insgesamt 28,5 Milliarden Franken geerbt. Die Summe ist überraschend hoch: Sie macht über 6 Prozent des Bruttosozialprodukts aus.

Erbschaften haben in der Schweiz eine beträchtliche volkswirtschaftliche Bedeutung. Im Vergleich zum Ausland wird hier häufiger und mehr geerbt. Gemäss einer am Dienstag veröffentlichten Nationalfondsstudie sind im Jahr 2000 in der Schweiz insgesamt 28,5 Milliarden Franken vererbt worden. Der Anteil am Bruttosozialprodukt beträgt damit über 6 Prozent. Dieser Wert sei mehr als doppelt so hoch wie beispielsweise in Deutschland, heisst es in der Medienmitteilung des Nationalfonds.

Erbschaftswellen weniger ausgeprägt
Für diese hohe Bedeutung der Erbschaften in der Schweiz führt die Studie mehrere Gründe auf. Genannt werden neben dem relativen Wohlstand auch die hohen Schweizer Immobilienpreise, machen doch Immobilien rund einen Drittel der vererbten Vermögen aus.

Einen grossen Einfluss hat aber auch die historische Situation der Schweiz. Die Weitergabe des Erbes sei in der vom Zweiten Weltkrieg verschonten Schweiz kontinuierlicher verlaufen als in den umliegenden Ländern. Vor allem in Deutschland gebe es weit ausgeprägtere Wellenbewegungen. Deshalb seien in der Schweiz die Vermögen stärker in der Rentnergeneration konzentriert als anderswo.

Im Durchschnitt 178’700 Franken geerbt
Zwei Drittel aller Schweizerinnen und Schweizer haben bereits geerbt oder erwarten eine Erbschaft. Die durchschnittlich vererbte Summe pro Erblasser lag im Jahr 2000 bei 456’000 Franken, der geerbte Betrag pro Erbe bei 178’700 Franken. Die Haushalte erben durchschnittlich mehr als sie selber an Vermögen aufbauen können.

Dabei ist Erben weitgehend Familiensache. Der Grossteil des Erbvolumens bleibt in der Familie: 58 Prozent gehen an die Kinder, je rund 15 Prozent an die Ehepartner und andere Verwandte. 6 Prozent werden Nichtverwandten und 4 Prozent gemeinnützigen Organisationen vermacht. Bei der Erbaufteilung zwischen den Kindern dominiert laut der Studie die Norm, dass alle gleich viel erhalten sollen.

Umwälzungen im Generationengefüge
Aufgrund der steigenden Lebenserwartung führt das Erben zu brisanten Umwälzungen im Generationengefüge. Die Vermögen konzentrieren sich immer stärker in der Rentnergeneration: Gingen 1980 noch über zwei Drittel der Erbschaften an Personen unter 55 Jahren, so wird es im Jahre 2020 noch ein Drittel sein.

Trotzdem sehen die Autoren die Erbschaften nicht als generellen Beitrag zur Alterssicherung. Dazu sei die Verteilung zu ungleich: Die Hälfte der Erbenden mit den kleinsten Erbschaften erhalte lediglich 2 Prozent der Gesamtsumme. Die 10 Prozent der Erbenden mit den grössten Erbschaften profitierten dagegen von drei Vierteln der Gesamtsumme. Die Verteilung folge damit dem Muster: «Wer hat, dem wird gegeben», schreiben die Autoren.

Trotzdem seien Erbschaften auch für ärmere Leute wichtig, selbst wenn die Summen vergleichsweise klein seien. Für ärmere Schichten stellten sie oft die einzige Möglichkeit dar, überhaupt zu Vermögen zu kommen.

Bildung wichtiger als Erbe
Geld allein macht aber nicht alles aus. Ausser an der Spitze der Vermögensverteilung seien Erbschaften für die Weitergabe sozialer Ungleichheit von Generation zu Generation nicht der bedeutsamste Faktor, hält die Studie fest. Das Bildungsniveau und der im Elternhaus vermittelte Erwartungshorizont, was einem im Leben zustehe, spielten eine wichtigere Rolle.

Die im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen Wandel erfolgte Studie ist die erste praktische Untersuchung zum Erben in der Schweiz. Autoren sind Heidi Stutz, Tobias Bauer und Susanne Schmugge vom Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS). Sie stützen sich auf Daten des kantonalen Zürcher Steueramts, auf Umfragen unter Stimmberechtigten und Hochrechnungen aus den Zürcher Daten mit statistischen Datenquellen der Gesamtschweiz. In der Studie ist die ausländische Bevölkerung in der Schweiz nicht eingeschlossen.

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Dokumentation: Erben in der Schweiz
Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter:
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