Der US-Wirtschaftswissenschaftler John Kenneth Galbraith ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 97 Jahren in Cambridge, Massachusetts. Als einer der weltweit einflussreichsten Ökonomen beriet der Kapitalismuskritiker mehrere US-Präsidenten. Mit seiner Kritik an der Konsumgesellschaft wurde der Linksliberale auch einem größeren Publikum bekannt. Galbraith war einer der wenigen Wirtschaftstheoretiker, die der interessierten Öffentlichkeit komplexe Themen in einfacher Sprache klar darstellen konnte. In seinem Hauptwerk "Gesellschaft im Überfluss" ("The affluent society") thematisiert er den Überfluss an privaten Gütern. Bereits 1958 warnte er vor den Wachstumsfolgen für die Umwelt.
Gegen Reagonomics und Thatcherism
In den achtziger Jahren richtete sich Galbraiths Kritik gegen die neoliberale Politik der Reagan-Administration in den USA und den Thatcherismus in Großbritannien mit den Folgen einer ungezügelten freien Marktwirtschaft und dem gezielten Abbau von Sozialleistungen. Galbraith lehrte Jahrzehnte lang an der US-Prestige-Universität Harvard und propagierte in fast drei Dutzend Fachbüchern, Romanen und zahllosen Magazin- und anderen Publikationen den Wohlfahrtsstaat und staatliche Wirtschaftsinterventionen. Der Staat solle mehr für die Armen, für das Erziehungs- und Ausbildungswesen und für den Umweltschutz tun, war seine Forderung. Er kritisierte die mächtigen US-Großkonzerne an und hielt die Gewerkschaften für ein wichtiges Gegengewicht.
Galbraith war als Bauernsohn auf einer Farm in Iona Station in der kanadischen Provinz Ontario aufgewachsen und studierte in Toronto. Er wandte sich an der Universität von Kalifornien in Berkeley später gezielt den Wirtschaftswissenschaften zu. Während der dreißiger Jahre, in der schlimmsten Rezession der US-Geschichte, stand Galbraith ganz unter dem Eindruck der enormen Wirtschaftsprobleme, der extremen Arbeitslosigkeit und drückenden Armut zahlloser US-Amerikaner und Kanadier. Früh wurde er Anhänger des britischen Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes und sprach sich für eine aktive staatliche Wirtschaftspolitik zur Bewältigung der Wirtschafts- und Sozialprobleme aus.
Berater, Theoretiker, Redakteur
Während des Zweiten Weltkriegs war Galbraith zeitweise stellvertretender Leiter der US-Preiskontrollbehörde und gehörte dem Beraterstab von US-Präsident Franklin D. Roosevelt an. Später arbeitete er für das Wirtschaftsmagazin "Fortune". In den fünfziger Jahren beriet er den erfolglosen US-Präsidentschaftskandidaten Adlai Stevenson. John F. Kennedy entsandte ihn als US-Botschafter nach Indien. Galbraith beeinflusste in starkem Maße auch die auf viel höhere staatliche Sozialausgaben ausgerichtete Politik der "Great Society" des US-Präsidenten Lyndon B. Johnson.
Weitere wichtige Werke waren "Die moderne Industriegesellschaft" ("The New Industrial State") und "Die Solidarische Gesellschaft" ("The Good Society"). In "American Capitalism" und "The Great Crash" beschrieb er den Börsenkrach des Jahres 1929. 1987 warnte er vor einem neuen Börsenkrach, indem er Vergleiche mit 1929 zog.