Die Oppositionspolitikerin wird Opfer eines Selbstmordattentats in Rawalpindi
Die pakistanische Politikerin Benazir Bhutto wurde am Donnerstagabend bei einer Wahlkampfveranstaltung Opfer eines Selbstmordattentats. Bhutto war im Oktober nach Pakistan zurückgekehrt, um sich an den Wahlen zu beteiligen. Sie wusste von Attentatsplänen gegen sie, schlug diese jedoch in den Wind.
Die pakistanische Politikerin Benazir Bhutto ist am Donnerstagabend bei einem Selbstmordattentat in der pakistanischen Garnisonsstadt Rawalpindi ums Leben gekommen. Bhutto hatte kurz nach sechs Uhr abends eine Wahlkampfveranstaltung beendet und wollte ihr Fahrzeug besteigen, als fünf Schüsse fielen. Sie wurde offenbar an Hals und Brust getroffen, als im gleichen Augenblick ein Mann mit einem Motorrad bis nahe an sie heranfuhr und sich in die Luft sprengte. Es war nicht klar, ob die Schüsse vom Suizidtäter stammten. Laut Augenzeugenberichten waren sie aus einer anderen Richtung gekommen als die Explosion, was die Vermutung eines präzis geplanten Attentats verstärken würde. Die Wucht der Explosion tötete neben Bhutto weitere zwanzig Menschen und verletzte zahlreiche ihrer Anhänger, darunter ihre engen Beraterinnen Sherry Rehman und Naheed Khan. Bhutto wurde in das Allgemeine Krankenhaus der Stadt gefahren, doch eine halbe Stunde nach dem Attentat stellten Ärzte ihren Tod fest.
In den Strassen von Rawalpindi, der Schwesterstadt der Hauptstadt Islamabad und dem Hauptquartier der pakistanischen Armee, kam es schon bald nach dem Attentat zu lauten Klagerufen und Szenen der Trauer von weinenden und schreienden Anhängern der Politikerin. Diese verwandelten sich bald einmal in Protestrufe gegen Präsident Musharraf, gefolgt von Angriffen auf Polizeifahrzeuge und Polizeistationen. Ähnliche Szenen spielten sich im Stadtteil Lyari in Karachi ab, der Hochburg der Pakistan People's Party (PPP), deren Präsidentin Bhutto war. Am späten Abend appellierte Präsident Musharraf zur Ruhe, und erklärte eine dreitägige Staatstrauer.
Männliche Rivalen
Dies war das zweite Attentat gegen Bhutto innerhalb von zehn Wochen. Sie war am 18. Oktober nach Pakistan zurückgekehrt, um sich an den Wahlen zu beteiligen, die Präsident Musharraf versprochen hatte. Nur Stunden nach ihrer Ankunft kam es in der Nähe ihres Fahrzeugs zu zwei Explosionen, die 139 Menschen das Leben kosteten. Schon zuvor hatte es eine Reihe von Todesdrohungen gegen sie gegeben, und ihr Ende kann auch als das Ende einer Chronik über einen angekündigten Tod gelesen werden. In einer Pressekonferenz am 19. Oktober erklärte Bhutto, sie verfüge über Geheimdienstinformationen, wonach mindestens vier Terror-Organisationen Attentäter nach Karachi gebracht hatten, um sie zu liquidieren. Sie erklärte auch, dass drei Politiker aus dem Regierungsestablishment es auf ihr Leben abgesehen hätten. Einer von ihnen war der Regierungschef der Provinz Panjab, in der Rawalpindi liegt.
Die 54-jährige Bhutto war eine natürliche Zielscheibe sowohl für Rivalen aus dem politischen Mainstream wie für ideologische Gegner. Sie war, in einer zutiefst patriarchalischen Gesellschaft, eine Frau, die zahlreichen ihrer männlichen Rivalen die Stirne zeigte. Sie war zudem eine gemässigte, demokratische und moderne Muslimin, die zudem noch amerikafreundlich war. Gleichzeitig war sie ausgesprochen machthungrig und machte keinen Hehl aus ihrem quasi angeborenen Anspruch auf die Führung des Landes. Zahlreiche ihrer politischen Gegner sind ehemalige PPP-Mitglieder, die von ihr zum Verlassen der Partei gedrängt worden waren, weil sie keine Rivalen neben sich dulden konnte.
Tod mitten im Wahlkampf
Benazir Bhutto starb mitten im Wahlkampf, der am 8.Januar in Urnengängen für das Zentral- und die vier Provinzparlemente enden sollte. Dieser Wahlkampf wird nun noch stärker eingeschränkt, als er es wegen Sicherheitsbeschränkungen ohnehin schon war. Selbst wenn es zu Wahlen kommt, wird ihnen die nötige Legitimität im Sinn einer freien demokratischen Wahl fehlen. Frau Bhuttos Ehemann Asif Zardari kehrte noch am Donnerstagabend aus Dubai nach Karachi zurück, aber er ist zu unpopulär, um sich als ihr Nachfolger zu empfehlen. Der einzige PPP-Politiker von Format, Aitzaz Ehsan, steht unter Hausarrest und darf nicht an den Wahlen teilnehmen, weil er als einer der Führer der Anwaltsbewegung gegen Musharraf, dessen Feindschaft eingehandelt hat und weil Frau Bhutto nichts tat, um diesen potentiellen Rivalen freizubekommen. Dies könnte bedeuten, dass Nawaz Sharif am meisten vom Tod seiner Rivalin und demokratischen Mitkämpferin profitiert. Es sei denn, Präsident Musharraf sieht sich erneut genötigt, den Ausnahmezustand zu erklären und sein Land für unreif für eine Demokratie zu erklären und damit der Spirale in noch tiefere Instabilität eine weitere Drehung zu geben. Am Donnerstagabend rief Sharif an einer Pressekonferenz in Rawalpindi Präsident Musharraf zum sofortigen Rücktritt auf. Er kündigte den Boykott seiner Partei für die auf den 8. Januar geplanten Parlamentswahlen an. Unter Musharraf seien freie und faire Wahlen nicht möglich, sagte er.