Der ehemalige langjährige Chef der nationalen Fluggesellschaft ist am Freitag mit 88 Jahren gestorben. Er war das Symbol für eine untergegangene Schweiz.
Eingekauft: Armin Baltensweiler 1979 mit einem Modell eines Airbus A-310. Eben hat er in paris einen Kaufvertrag für den neuen Jet unterschrieben.
Das Wesen grosser Menschen erkennt man gerade auch in ihren kleinen Taten. Armin Baltensweiler besuchte während seiner Zeit als Swissair-Chef jeweils am Neujahrsmorgen seine ganze Firma. Er machte sich mit kleinen Geschenken auf den Weg durch Büroflure und Hangare, durch Bordküchen und Telefonzentralen. Er gab seinen Mitarbeitern die Hand, wünschte ihnen ein gutes neues Jahr und erkundigte sich nach dem beruflichen und privaten Alltag und ihren Plänen. Damals arbeiteten bei der nationalen Fluggesellschaft rund 12 000 Angestellte – und die staunten, wie viele von ihnen Baltensweiler mit Namen kannte.
Das Wort «Network» existierte in der Umgangssprache noch nicht. Was für Baltensweiler aber existierte, war die Überzeugung, dass ein Unternehmen nur dann nachhaltig Erfolg haben kann, wenn der Chef die Unternehmenskultur nicht nur definiert, sondern sie vorlebt. Mit dieser Überzeugung ist Baltensweiler, der 1971 zum Direktionspräsidenten und 1982 zum Verwaltungsratspräsidenten gewählt wurde, zu einer Vaterfigur geworden.
Magische Anziehungskraft
Sein Leben und seine Wirkung sind ohne die gesellschaftspolitischen Bedingungen seiner Zeit nicht denkbar. Die Flugbranche übte magische Anziehungskraft aus, sie galt als sexy. Baltensweiler prägte die Swissair in einer von Optimismus und schweizerischem Selbstbewusstsein strotzenden Phase. Mit seiner Unternehmens- und Menschenführung setzte er Massstäbe. Kaum einer anderen Schweizer Firma gelang es, wirtschaftlichen Erfolg und ethische Überzeugungen in dieser Art zu harmonisieren und personalisieren. Einer der Gründe, die diese Leistung ermöglichten, lag in Baltensweilers Passion für seine Branche, das Flugzeug und damit die Technik.
Nach dem ETH-Studium als Maschineningenieur begann er 1948 bei der Swissair. Seine Begeisterung für technische Entwicklungen setzte sich bis ins Privatleben fort: Während unserer gemeinsamen Familienferien versuchte «Badli» jeweils meinen Vater von seiner Automarke zu überzeugen, weil er als einer der ersten einen NSU Ro-80 mit Wankelmotor fuhr.
Die Amerikaner überzeugen
Als die damals noch existierende McDonnell Douglas Anfang der 80er-Jahre zögerte, einen neuen Flugzeugtyp zu entwickeln, flog er kurzerhand an eine Verwaltungsratssitzung des Flugzeugherstellers nach St. Louis, um die zögernden Amerikaner zu überzeugen. Der Chef einer relativ kleinen Airline wurde so zu «Mr. Airline Worldwide». Davon profitierte die Swissair, die noch lange von diesem Nimbus zehrte – bis es zu spät war.
Diese Sensibilität für andere Wertvorstellungen und die Neugierde für andere Weltgegenden prägten ihn als Menschen. In einer Zeit, in der wir härter denn je um nachhaltige Unternehmenskulturen streiten, in der Führungskräfte angeblich nur noch über Boni zu motivieren sind statt über Passion für ihre Branche und echte unternehmerische Leistungen, erinnert der Tod von Armin Baltensweiler an tiefere Werte.