Die Schauspielerin debütierte an der Seite der großen Greta Garbo. Doch der Tonfilm beendete ihre Karriere. Sie konnte sich nie mit dem neuen Medium anfreunden.
tummfilme sind seit langem Geschichte. Für Renate Brausewetter, die in der Nacht zum Sonntag im Alter von 100 Jahren gestorben ist, waren sie real. Die kleine Schwester des bekannteren Hans Brausewetter, der unter anderem an der Seite von Heinz Rühmann im Klassiker „Paradies der Junggesellen“ spielte, lehnte den Tonfilm lange ab. „Ich habe mich keine Minute meines Lebens gelangweilt“, zog die zierliche Frau, die 1905 im spanischen Malaga geboren wurde, im vergangenen Jahr zu ihrem 100. Geburtstag Bilanz.
Debut mit Greta Garba
1915 war die Familie nach Berlin gezogen. Über ihren Bruder kam Brausewetter zum Theater und zum Film. Ihr Leinwanddebüt gab die junge Schauspielerin 1925 als Statistin in „Die freudlose Gasse“ mit Greta Garbo in der Hauptrolle. Unter anderem für „Hanseaten“ und „Der alte Fritz“ arbeitete sie mit dem Regisseur Gerhard Lamprecht (1897-1974) zusammen, von dem sie noch im hohen Alter schwärmte: „Lamprecht war ein wunderbarer Mensch und Regisseur."
Die Filme liegen jetzt in Archiven. Die alte Dame wollte darum „kein Tam-Tam“ machen, aber alte Schwarz-Weiß-Fotos bewahrte sie bis zum Schluss in ihrem Schrank in dem Linzer Seniorenheim auf, in dem sie ihren Lebensabend verbrachte.
Brausewetter versagte sich dem Tonfilm
„Der Tonfilm ist der Mörder vom Stummfilm“, war Brausewetter überzeugt. Zu ihren Zeiten sei es sehr auf die mimische Ausdrucksfähigkeit der Schauspieler angekommen, es fehlten erklärende Worte. „Die Rollen waren anders.“ Als der Tonfilm gekommen sei, hätten sich die anderen Schauspieler weiterentwickelt. „Man selber ist stehen geblieben“, sagte der frühere Stummfilmstar. Nur einmal, 1950, ließ sich Brausewetter kurz auf das Wagnis Tonfilm ein und spielte in „Die Treppe“ unter der Regie von Alfred Braun eine Nebenrolle.
Über ihren Bruder hatte Brausewetter Kontakte zu vielen Schauspielern und Intellektuellen, darunter zu Schriftstellern wie Klaus Mann und Joachim Ringelnatz. „Wenn Hans abends mit den Leuten aß, war ich dabei“, erzählte sie. Dann starb Hans Brausewetter (1899-1945) als Zivilist in den Kämpfen um Berlin. Sein Tod sei „der große Schlag“ gewesen in ihrem Leben, erinnerte sich die Schwester. Ein Jahr zuvor hatte sie sich von ihrem Mann, einem Chemiker, scheiden lassen und danach allein mit drei Kindern gelebt.
Früher Rückzug ins Privatleben
Bereits 1928 hatte sie sich ins Privatleben zurückgezogen. 1972 zog Brausewetter nach einer schweren Krankheit in die Nähe ihrer Tochter und ihrer zwei Söhne nach Linz und lebte bis vor zwei Jahren in einer eigenen Wohnung. Sie hütete Babys, kümmerte sich um vietnamesische Flüchtlingskinder und betreute eine Theatergruppe für Schüler. Gesunde Ernährung war nie ein Thema. Jahrelang rauchte sie, trank täglich einen Schnaps. Doch im hohen Alter gab sie ihre Laster auf, naschte höchstens noch ab und zu Schokolade.
Dass sie 100 Jahre alt werden könnte, glaubte sie nie. „Ich habe nicht gedacht, mal alt zu werden“, sagte sie zum ihrem runden Geburtstag im vergangenen Jahr. „Dumm und solide wird man im Alter.“ Da waren ihre Augen schon so schlecht, dass sie nicht mehr lesen und fernsehen konnte. Umso mehr freute sie sich über Besuch von den Kindern, die mittlerweile selbst im Rentenalter sind, den acht Enkeln und vier Urenkeln oder alten Bekannten.