Taizé-Gründer Frère Roger ist tot – Beim Abendgebet vor 2500 Jugendlichen erstochen
Frère Roger, der Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, ist während eines Gottesdienstes vor 2500 Jugendlichen ermordet worden. Eine rumänische Frau griff den 90-jährigen Geistlichen am Dienstagabend mit einem Messer an und verletzte ihn so schwer, dass er binnen einer Viertelstunde verblutete. Zu Rogers Nachfolger wurde der Deutsche Bruder Alois, ein Katholik, bestimmt.
Die Motive der 36 Jahre alten rumänischen Täterin, die am Mittwoch verhört wurde, sind unklar. Berichte, wonach sie psychisch krank sein soll, wurden am Mittwoch vom zuständigen Staatsanwalt in Frage gestellt. Die Frau sei jedenfalls «nicht so gestört, dass eine Unterbringung in der Psychiatrie gerechtfertigt wäre», sagte Staatsanwalt Jean-Louis Coste. Die Täterin habe das Messer erst einen Tag vor dem Angriff gekauft. «Es scheint jetzt, dass dies geplant war, und es ist offensichtlich vorsätzlicher Totschlag», sagte der Staatsanwalt an einer Pressekonferenz.
Nach Angaben der ökumenischen Gemeinschaft war die Frau zwei Tage vor der Tat alleine in Taizé eingetroffen. Zeugen des Angriffs auf Frère Roger wurden rund 2500 junge Leute, die am Abendgebet in der Versöhnungskirche von Taizé teilnahmen.
Deutscher Katholik wird Nachfolger
Der 51-jährige Frère Alois habe gleich am Mittwochmorgen sein Amt als Prior angetreten, teilte die Gemeinschaft mit. Der gebürtige Stuttgarter ist seit 32 Jahren Mitglied von Taizé. Schon vor acht Jahren hatte Roger den Katholiken zu seinem Nachfolger bestimmt.
Bestürzung und Trauer
Die katholische wie die evangelische Kirche äusserten sich bestürzt über den gewaltsamen Tod Rogers. Papst Benedikt XVI. sprach von einer «sehr traurigen und erschreckenden» Nachricht. «In diesem Augenblick der Trauer bleibt uns nur, dem Willen des Herrn die Seele seines treuen Dieners anzuvertrauen.» Auf dem katholischen Weltjugendtag in Köln wurde die Nachricht von der Ermordung Frère Rogers mit grosser Bestürzung aufgenommen.
Die Schweizer Bischofskonferenz reagierte mit Bestürzung und Trauer auf den gewaltsamen Tod von Frère Roger. Sein Einsatz für den Frieden und die Einheit der Christen hätten ihn zu einem leuchtenden Stern werden lassen. Die Bischöfe gaben ihrer Überzeugung Ausdruck, dass Frère Roger mit seinem gewaltsamen Tod in gewisser Weise Jesus Christus ähnlich geworden sei. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac würdigte Roger als einen «der bemerkenswertesten Diener der Werte Respekt und Toleranz».
Versöhnung zwischen den Konfessionen
Bruder Roger gründete die ökumenische Gemeinschaft in den burgundischen Dorf Taizé bei Mâcon in den 40er Jahren. Ihre Mitglieder verschrieben sich der Brüderlichkeit und der Versöhnung zwischen den Nationen, Konfessionen und Klassen. 1969 trat der erste Katholik bei, heute gehören der Gemeinschaft etwa 100 Brüder aus mehr als 25 Nationen an. Der verstorbene Papst Johannes Paul II. besuchte Taizé 1986.
Zu den jährlichen Jugendtreffen der Gemeinschaft in Europa strömen Zehntausende. Das ganze Jahr über kommen Jugendgruppen nach Taizé. Roger Louis Schütz-Marsauche wurde am 12. Mai 1915 als Sohn eines protestantischen Pfarrers in der Schweiz geboren, seine französische Mutter stammte aus Burgund. Er studierte Theologie in Lausanne und Strassburg und wurde als Pastor ordiniert.