Vor 50 Jahren starb Thomas Mann
Thomas Mann gehört ohne Zweifel zu den Grossen der deutschen Literatur. Schon zu Lebzeiten war seine Person jedoch umstritten. Der deutsche Schriftsteller liebte die Schweiz, wo er vor 50 Jahren, im August 1955, auch verstarb und seine letzte Ruhestätte fand.
1905 reiste der Lübecker Schriftsteller zum ersten Mal in die Schweiz: Die Hochzeitsreise führte Thomas und Katia Mann nach Zürich, in eine Stadt, die später in seinem Leben einen wichtigen Platz einnehmen würde. "Die Schweiz? Aber ich liebe sie!", erklärte er zum Beispiel 1923.
Im Februar 1933 brach Mann von München zu einer längeren Ausland-Vortragsreise auf; mit seiner Frau Katia war er in Arosa, als in Berlin der Reichstag brannte. Was als Reise begonnen hatte, wurde zum Exil. Die Manns kehrten nicht mehr nach Deutschland zurück, sondern verbrachten einige Zeit in Südfrankreich.
Absage an Nazi-Deutschland in der "NZZ"
Im Herbst schliesslich reiste die Familie in die Schweiz und liess sich in Küsnacht bei Zürich nieder. Nach dreijähriger Zurückhaltung in politischen Fragen erschien 1936 Manns öffentliche Absage an das nationalsozialistische Deutschland in der "Neuen Züricher Zeitung".
Mann bekannte sich zur Emigration und wurde tschechischer Staatsbürger. Auf Ende Jahr entzogen die Nazis ihm und seiner Familie die deutsche Staatsbürgerschaft.
1938, unter dem Eindruck des "Anschlusses" von Österreich an Nazi-Deutschland und wohl auch angesichts der Ungewissheit, was mit der Schweiz passieren würde, zogen die Manns in die USA.
Rückkehr als Amerikaner in die Schweiz
1944 wurde Mann amerikanischer Staatsbürger. Sterben aber wollte er nach eigenen Aussagen in der Schweiz, nicht in den USA, von denen er nach dem Tod von Präsident Franklin D. Roosevelt 1945 immer mehr enttäuscht war.
Wie zuvor andere deutsche Emigranten, so Hanns Eisler und Bertold Brecht, musste 1951 auch Mann im Zug der Kommunistenhatz in den USA vor dem Kongress-Komitee für "unamerikanische Aktivitäten" Rechenschaft ablegen.
1952, ein Jahr darauf, kehrten die Manns aus den USA in die Schweiz zurück. Dort lebten sie zuerst in Erlenbach und zogen 1954 nach Kilchberg um.
50 Jahre nach seinem ersten Besuch in Zürich starb Thomas Mann am 12. August 1955 in einem Spital der Zwinglistadt im Beisein seiner Ehefrau. Begraben ist der Schriftsteller in Kilchberg.
Bis zum Tode seiner Ehefrau 1980 und des Sohnes Golo Mann blieb das Haus in Kilchberg ein Zentrum der Familie.
Aus Anlass des 50. Todestages von Thomas Mann findet in Küsnacht am 26. August eine Veranstaltung unter dem Titel "Thomas Manns Küsnachter jahre im Spiegel seiner Tagebücher 1933-1938". Und in Kilchberg ist die dritte Ausgabe der so genannten Parkkonzerte am Wochenende vom 20. und 21. August den drei Töchtern Manns gewidmet.
Anstoss zum "Zauberberg"
Neben der Region um Zürich kannten die Manns auch Davos und Arosa gut. In der Schweiz ist der Name des Literaten bis heute eng mit seinem Roman "Der Zauberberg" verbunden, zu dem Mann sich von der damaligen Stimmung in Davos hatte inspirieren lassen, als seine Frau Katia 1912 wegen Tuberkulose-Verdachts dort zur Kur weilte.
1913 begann Mann mit dem Roman "Der Zauberberg", stellte das Werk aber erst 1924 fertig.
Im Schweizer Exil arbeitete er später an Werken wie "Joseph in Ägypten" (1936) und "Lotte in Weimar" (1939); in Erlenbach beendete er im Alter von 78 Jahren auch das schon Jahrzehnte zuvor begonnene fragmentarische Werk "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull".
Nach dem Tode Thomas Manns im Jahr 1955 übergab die Erbengemeinschaft 1956 seinen literarischen Nachlass, persönliche Gedenkstücke und die Ausstattung seines letzten Arbeitszimmers der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Diese gründete in der Folge das Thomas-Mann-Archiv (TMA).
Inbegriff der deutschen Kultur
Thomas Mann verstand sich als ein Vertreter der deutschen Kultur, welche die Nazis aus seiner Sicht heraus systematisch zerstörten. "Wo ich bin, ist deutsche Kultur", erklärte Thomas Mann bei seiner Emigration in die USA. In der (deutschsprachigen) Schweiz, im "kosmopolitischen" Zürich fühlte er sich daher nach eigenen Aussagen immer wohl.
Der Wandel vom Anhänger der Monarchie zum Verteidiger der Republik, seine Flucht ins Exil und die Weigerung, nach dem Krieg wieder nach Deutschland zu ziehen, gehören zu Manns Biografie.
Leidenschaftliche Verehrung, aber auch heftige Ablehnung begleiteten den Literatur-Nobelpreisträger von 1929 ("Buddenbrooks") schon zu Lebzeiten. Heute ist sein Rang als einer der grössten deutschen Erzähler des 20. Jahrhunderts unumstritten.
Kritische Stimmen
Gewisse seiner Werke, darunter der Vortrag "Deutschland und die Deutschen" stiessen aber nicht nur auf Gegenliebe. Kritische Stimmen sprachen ihm das Recht ab, über sein Volk zu urteilen, als einer, der in der dunkelsten Zeit Deutschlands im Ausland gelebt habe.
Vieles in seinem Leben blieb versteckt hinter Manns gegen aussen gutbürgerlichem Leben, so seine homoerotischen Neigungen, die etwa in "Der Tod in Venedig" zu finden sind. Die Veröffentlichung seiner Tagebücher nach seinem Tod versetzte denn auch die Literaturwelt in Erstaunen.
Mit seinem ausholenden und oft psychologisierenden Erzählstil, seinen komplizierten Verästelungen und Nebensätzen macht es Mann seiner Leserschaft nicht eben leicht. Dennoch war und ist er bis heute ein Liebling der Germanisten und nach Goethe der am meisten erforschte deutsche Schriftsteller.
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