Persona non grata und „Mamma Africa”
Miriam, wer? So dürfte die Antwort vieler amerikanischer Bürger auf die Nachricht vom Tod der Sängerin Miriam Makeba lauten. Das Land, in dem die geborene Südafrikanerin lange Zeit im Exil lebte, nahm nur gelegentlich dank Hitparaden Notiz von ihr. Und wenn sie politisch unliebsam auffiel: als Miriam Makeba, die zuvor als Tourneepartnerin Harry Belafontes die Studenten der Vereinigten Staaten und Kanadas begeistert hatte und zur schwarzen Königin des Folk aufgestiegen war, 1968 den Black-Power Aktivisten Stokely Carmichael heiratete, mußte sie das Land verlassen.
Da Südafrika, ihre Heimat, sie 1960 wegen ihres Auftritts in dem Film „Come back Africa” ausgebürgert hatte, konzentrierte Miriam Makeba sich auf Frankreich, das Land, wo ihre musikalische Weltkarriere 1967 begonnen hatte. Hier war ihr Welthit „Pata Pata”, heute wechselnd als Klassiker des Folkjazz oder Ethnopop gelobt, zuerst in die Hitparade aufgestiegen, hier feierte man die Sängerin im Pariser Olympia und goutierte ihre aus afrikanischer Folklore, Jazz, Blues und bald auch Chanson gemischte Musik.
Wie Josephine Baker
Viele Franzosen empfanden die Künstlerin als eine Art neue, zeitgemäße Josephine Baker. Denn auch die „Schwarze Venus” war erst in Paris zum Weltstar geworden, und blieb in ihrer Heimat Amerika, wo man von der Anfängerin keine Notiz genommen hatte, zeitlebens umstritten. Erst Recht, als sie sich während Tourneen durch die amerikanischen Großstädte in den fünfziger Jahren energisch gegen jede Art von Rassendiskriminierung wehrte.
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Was Josephine Baker 1957 ihre international verbreitete Rede „Gegen Nationalismus und Rassenwahn” in der Frankfurter Paulskirche war, wurde Miriam Makeba der Boykottaufruf gegen das südafrikanische Apartheitsregime, den sie 1963 bei einem Vortrag vor der Uno in New York formulierte. Auch ihr amerikanisches Comeback als Sängerin ist mit einem politischen Ereignis verbunden: Im Herbst 1974 trat Miriam Makeba gemeinsam mit B.B.King, James Brown und den Crusaders beim weltweit übertragenen Boxkampf zwischen George Foreman und Muhammad Ali in Kinshasa auf. Das Ereignis, als Sternstunde der Black Power gefeiert, brachte Neuaufnahmen ihrer Erfolge „Pata Pata”, „The Click Song” und „Malaisha” in die internationalen Hitparaden zurück.
Auf Bitten Mandelas zurückgekehrt
1990, längst eine feste Größe im internationalen Musikgeschäft, kehrte Miriam Makeba, nun als „Mamma Africa” und „Stimme Afrikas” verehrt, auf Bitten Nelson Mandelas nach Johannesburg zurück. Ihre Verbindungen nach Europa hielt sie aufrecht. So kam es auch, trotz offiziellem Abschied von der Bühne im Jahr 2005, zu dem Auftritt der Sechsundsiebzigjährigen im süditalienischen Castel Volturno, wo sie am gestrigen Sonntag bei einem Wohltätigskeitsabend zugunsten des von der Mafia bedrohten Schriftstellers Roberto Saviano sang. Während der Vorstellung erlitt sie einen Herzinfarkt und starb wenige Stunden später.
Man fröstelt angesichts dieser letzten Parallele zum Leben der Josephine Baker. Denn auch sie, die sich eigentlich von der Bühne verabschiedet hatte, starb 1975 während eines triumphalen Konzerts (in Paris). Ein Unterschied aber besteht: die Baker machten Lobeshymnen von Schriftstellern und Künstlern wie Cocteau, Klaus Mann, Le Corbusier und Adolf Loos unsterblich. Miriam Makebas zeitloser Ruhm wurzelt im politischen Kampf. Josephine Baker, so kann man sagen, war eine politische Sängerin, Miriam Makeba eine singende Politikerin – doch beider Kunst war gleichrangig.