Markus Wolf, der frühere Spionagechef Ostberlins, ist in der Nacht auf gestern im Alter von 83 Jahren gestorben. «Mischa» Wolf hatte den Spion Günther Guillaume im Amt von Bundeskanzler Willy Brandt platziert.
«Listig, skrupellos und ein Freund der Frauen» – so der Titel von «Spiegel Online» zum Tod eines Geheimdienstchefs, der zeit seines Lebens überzeugt war, im Dienste einer gerechten Sache gehandelt zu haben.
Viele Facetten
Wolfs Persönlichkeit hatte aber viele Facetten, was seine Biografie belegt. Weil sein Vater jüdischer Herkunft war und Kommunist, emigrierte die Familie Wolf 1933 zuerst in die Schweiz, dann nach Frankreich und schliesslich in die Sowjetunion. Nach dem Krieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und arbeitete unter dem Decknamen «Michael Steiner» für den Berliner Rundfunk. Am Nürnberger Kriegsverbrecherprozess war er akkreditierter Berichterstatter. Markus Wolfs Denken und Handeln lässt sich wohl nur mit den Erfahrungen erklären, die er während der Nazi-Zeit machte.
1949, nach der Gründung der DDR, wurde Wolf in die DDR-Botschaft in Moskau berufen. Seine eigentliche Geheimdiensttätigkeit begann 1951, als er am Aufbau des Aussenpolitischen Nachrichtendienstes der DDR beteiligt war – und Karriere machte. Wolf wurde Leiter der Ausland-Aufklärung und nach deren Eingliederung in das Ministerium für Staatssicherheit dort auch Vize-Minister.
Später Reformer
Zu zweifelhaftem Ruhm gelangte Wolf, als er den Spion Günther Guillaume an der Seite von Willy Brandt platzierte – und so dessen Sturz provozierte. Es war, wie sich später zeigte, nur die Spitze des Eisbergs. Wolf schleuste Tausende Agenten und Agentinnen in die Bundesrepublik ein, Erfolge, für die Wolf auch Karrieren und Menschenleben ruinierte.
Als er 1989 die Wende herannahen fühlte, versuchte Wolf noch DDR-Ministerpräsident zu werden, schreibt «Spiegel»-Redaktor Hans Halter in einem Nachruf. Er stützt sich dabei auf Wolfs Auftritt an der legendären Grossdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz. Völlig überraschend trat Wolf ans Rednerpult und warb für einen Reformkurs in der DDR.