Sein Name eignete sich für manches böse Wortspiel, und böse Kritiker haben sich die Chance nicht entgehen lassen: «Es stinkt zum Simmel», war nur das geläufigste. Johannes Mario Simmel litt unter der Missachtung der Literaturkritik wie ein Hund; die Begeisterung seiner Leserschaft, die nach Millionen zählt (auf 75 Millionen Exemplare wird die Gesamtauflage geschätzt), konnte ihn dafür nicht entschädigen.
Immerhin konnte er erleben, dass ihm mit zunehmendem Alter doch mehr Respekt entgegengebracht wurde; die Wissenschaft, für die er lange nur als Studienobjekt des Trivialen herhalten musste, erkannte ihn schliesslich als das, was er sein wollte: ein demokratischer Gebrauchsschriftsteller. Es gab Simmel-Kongresse und Simmel-Dissertationen, in Boston wurde eine ihm gewidmete Spezialbibliothek eingerichtet.
Missstände der Welt dem Publikum nahe bringen
Erfolgreicher im deutschen Sprachraum war nur Konsalik. Der wollte unterhalten und bediente dabei auch die niederen Instinkte. Simmel dagegen war ein Moralist. Er hatte eine Mission: die Missstände der Welt dem Publikum nahe bringen – indem er sie in eine spannende Handlung kleidete. Gern berief er sich auf das Brecht-Wort, man müsse die Wahrheit mit List verbreiten, und prägte ein eigenes Bild für seine Arbeit: bittere Pillen mit süssem Schokoladenüberzug zu versehen, damit die Leute sie gern schluckten.
Die Missstände: Das waren Probleme, die zu schultern für jede Regierung zu schwer waren, umso mehr für einen Romancier. Die Verwahrung geistig behinderter Kinder, Drogen, biologische Waffen, die Aufrüstung, die Plünderung der Erde. Seine Helden – meist dem Autor nachgebildet, elegant und desillusioniert, mit einer schweren Biografie belastet und ein bisschen kaputt – jagen rund um die Welt irgendeiner Schweinerei nach. Dabei liess der Autor seiner Vorliebe für Luxus freien Lauf: Simmel-Leser wissen, was man in den elegantesten Restaurants speist und sich in den exklusivsten Bars mixen lässt. Und der Mixer, vermuten sie, heisst bestimmt in Wirklichkeit so wie im Buch. Weitere Schwächen seiner Prosa sind die Detailhuberei, eine grobe Personenzeichnung und eine unausrottbare Sentimentalität.
Simmel war ein richtiger Gutmensch, der all sein Können, seinen Namen und seinen Einfluss einsetzte, die Welt besser zu machen. Sein bitterster Hass galt Nazis und Neonazis. Das hatte seinen Grund: Simmels Vater war Jude. Seine väterliche Verwandtschaft wurde ermordet, und in Wien, wo er aufwuchs, gedieh der Antisemitismus auch nach 1945.
Durchbruch mit «Es muss nicht immer Kaviar sein»
Simmel liess sich ursprünglich zum Chemiker ausbilden. Dann wurde er Illustriertenautor – vor allem für die «Quick»; er galt als bestverdienender Reporter seiner Zeit. Er erlernte das Bestsellerhandwerk durch rastlose Produktion, zeitweise schrieb er unter sieben Pseudonymen gleichzeitig.
1960 gelang der Durchbruch mit dem Roman «Es muss nicht immer Kaviar sein» (einer der vielen Titel, die sprichwörtlich wurden). In den 60er- und 70er-Jahren führten seine Bücher («Und Jimmy ging zum Regenbogen», «Liebe ist nur ein Wort», «Mit den Clowns kamen die Tränen») stets die Bestsellerliste an.
In den letzten Jahren wurde es still um Simmel, er lebte zurückgezogen in Zug. Wer ihm begegnete, traf einen freundlichen Mann, den seine Erfahrung und Erfolge nicht weltweise gemacht hatten, sondern traurig.