Gut vorgesorgt
Alles Wichtige über AHV, Pensionskasse und 3. Säule
von Alois Alt-Marín, Walter Ilg, Ueli Kieser, Jürg Senn
248 S., broschiert
1. Auflage, Mai 2000
Beobachter-Buchverlag
ISBN: 3-895569-198-3
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LESEPROBE
AHV, Pensionskasse und Selbstvorsorge:
3 Säulen für die Vorsorge
Sozialversicherungen sind kompliziert und kaum jemand überblickt sie ganz – auch Expertinnen und Experten nicht. Dieser Beobachter-Ratgeber will Ihnen die wichtigsten Punkte des 3-Säulen-Konzepts näher bringen. Sie werden hauptsächlich erfahren, wie Sie für das «Risiko Alter» abgedeckt sind, was Sie für die Versicherungen bezahlen müssen und was Sie selbst im Rahmen der drei Säulen zu Ihrem Versicherungsschutz beitragen können.
Das Vorsorgedach hängt schief
Für zu viele Personen stehen die drei Säulen bloss auf dem Papier. In allen dreien bestehen Lücken und die drei Säulen spielen auch nicht reibungslos zusammen. Bei allzu vielen Menschen hängt das Vorsorgedach deshalb sehr schief oder ruht bloss auf einer einzigen Säule. Handlungsbedarf ist gegeben!
Das 3-Säulen-Konzept kann nur funktionieren, wenn jede Frau und jeder Mann in allen Säulen abgedeckt ist. Das ist aber bei weitem nicht Realität! Wer in jungen Jahren die Erwerbstätigkeit eingestellt hat, weil Kinder zu betreuen waren, und dann nur noch in einem kleinen Teilzeitpensum erwerbstätig war, wird aller Voraussicht nach nur über den Schutz der 1. Säule – der AHV – verfügen. Mit einem kleinen Lohn wird man in die 2. Säule gar nicht erst aufgenommen. Und die 3. Säule wächst nur, wenn eingezahlt wird, was bei einem tiefen Einkommen meist nicht möglich ist.
Nicht jeder Mann – und schon gar nicht jede Frau! – kann sich also auf drei Säulen stützen. Im Folgenden eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Lücken und Schwierigkeiten der einzelnen Säulen; Auskunft zu vielen weiteren Detailfragen finden Sie im jeweiligen Kapitel des Ratgebers.
Schwierigkeiten und Lücken bei der AHV
Die Rentenhöhe hängt ab von Beitragsdauer und Beitragshöhe. Wer beispielsweise wegen Auslandaufenthalten Lücken in der Beitragsdauer aufweist, muss mit oft sehr empfindlichen Leistungseinbussen rechnen. Die Hauptschwierigkeit der AHV liegt aber in der geringen Höhe der Leistungen. Die maximale AHV-Altersrente beträgt gegenwärtig 2010 Franken für eine Einzelperson. Zu wenig zum Leben!
Schwierigkeiten und Lücken der beruflichen Vorsorge
Erfasst sind nur Unselbständigerwerbende mit einem Mindesteinkommen von 24 120 Franken. Teilzeiterwerbstätige fallen oft nicht unter das Obligatorium. Wer zudem bloss obligatorisch versichert ist und nicht besonders viel verdient, erhält im Alter eine geringe Altersrente. Über einen überobligatorischen Schutz verfügen bei weitem nicht alle Erwerbstätigen. Keinerlei Schutz der 2. Säule haben also etwa Hausfrauen, Personen mit tiefem Einkommen und Selbständigerwerbende.
Schwierigkeiten und Lücken der 3. Säule
In der gebundenen Säule 3a kann sich nur absichern, wer erwerbstätig ist. Hausfrauen und Hausmänner haben keinen Zugang zu diesem steuerbefreiten Teil der 3. Säule! Leistungen aus der 3. Säule erhält zudem nur, wer vorher Möglichkeiten zum Sparen hatte und Sparwillen bewies: Wer ein niedriges Einkommen erzielt, wird oft keine Einzahlungen in die 3. Säule leisten können.
Grundzüge des 3-Säulen-Konzepts
Die wichtigsten Elemente der Vorsorge mit den drei Säulen lassen sich anhand von sieben Gegensatzpaaren anschaulich zeigen.
Gegensatz 1: obligatorisch – freiwillig
Die AHV ist eine obligatorische Versicherung: Wenn Sie in der Schweiz arbeiten oder hier Wohnsitz haben, sind Sie ihr unterstellt. Für Unselbständigerwerbende ist je nach Einkommen auch die berufliche Vorsorge obligatorisch: Mit einem Lohn zwischen 24 120 und 72 360 Franken gehören Sie zwingend einer Pensionskasse an. Für tiefere oder höhere Einkommen besteht hingegen keine obligatorische Versicherung. In der 3. Säule gibt es gar kein Obligatorium; hier beruht der Anschluss immer auf Ihrem eigenen und freiwilligen Entscheid.
Nicht obligatorisch ist die AHV für Auslandschweizer; sie können sich aber freiwillig der 1. Säule anschliessen. Nach Gesetz ebenfalls freiwillig ist bei der Pensionskasse eine überobligatorische Abdeckung. Bietet die Pensionskasse aber überobligatorische Leistungen an, gelten diese in der Regel für alle Angestellten des Betriebs.
Ist die Versicherung obligatorisch, sind Sie ihr in der Regel ohne weiteres angeschlossen. Bei freiwilligen Versicherungen ist hingegen ein Beitritt nötig, der von Ihrem eigenen Entschluss abhängt. Dort wo der Beitritt freiwillig ist, kann aber auch die Versicherung Vorbehalte anbringen, wenn Sie krank sind, oder sie kann Ihren Beitritt überhaupt ablehnen.
Gegensatz 2: erwerbstätig – nicht erwerbstätig
Das 3-Säulen-Konzept reisst einen tiefen Graben auf zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen. Als Nichterwerbstätige gelten dabei etwa Hausfrauen und -männer. Wer ohne Entschädigung Haushaltarbeit verrichtet, ist nur gerade in der 1. Säule gedeckt. Die Frage der Erwerbstätigkeit bedeutet also Sein oder Nichtsein unter dem Vorsorgedach.
Am stärksten hat die AHV seit 1997 die Aufteilung zwischen Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen aufgegeben. Sie erfasst beide Kategorien von Personen. Aber ohne Folgen bleibt es natürlich auch bei der AHV nicht, wenn Sie keine Erwerbstätigkeit ausüben. Wer ein tiefes oder überhaupt kein Einkommen erzielt, bezahlt auch niedrige Beiträge, was zu tiefen Renten führt – es sei denn, der Ehepartner oder die Partnerin verdiene gut.
Gänzlich auf den Einbezug der Nichterwerbstätigen verzichten die 2. Säule und die Säule 3a. Wer kein Einkommen erzielt, hat hier nichts zu suchen. Gegenwärtig sind politische Bestrebungen im Gang, die Säule 3a auch für Nichterwerbstätige zu öffnen. Dies würde ein Stück weit dazu beitragen, das 3-Säulen-Konzept für alle effektiv zu machen.
Gegensatz 3: teilzeiterwerbstätig – voll erwerbstätig
Weil die 2. Säule nur Erwerbstätige ab einem bestimmten Mindesteinkommen (24 120 Franken pro Jahr) erfasst, fallen viele Teilzeiterwerbstätige aus der beruflichen Vorsorge heraus. Dass tiefe Einkommen in der 2. Säule nicht berücksichtigt sind, wird damit begründet, dass diese Einkommen ja bereits durch die AHV-Rente abgedeckt seien. Eine Begründung, die nicht überzeugt! Denn wer über einen tiefen Lohn verfügt, wird in der Regel auch nur eine kleine AHV-Rente erhalten. Deshalb hätten gerade Menschen mit tiefem Einkommen den Schutz über eine 2. Säule nötig.
Gegensatz 4: gesund – behindert
Das 3-Säulen-Prinzip kann das Gütesiegel erst erhalten, wenn es auch für Behinderte Lösungen bereit stellt. Dies ist über weite Strecken so geregelt: Wer wegen Behinderung eine Rente der IV erhält, wird im Alter eine mindestens gleich hohe Altersrente der AHV beziehen können. Bei der Pensionskasse wird die Invalidenrente bis zum Tod ausgerichtet und übernimmt so teilweise die Funktion der Altersrente. Wenn eine behinderte Person allerdings nicht schon vor dem Eintritt der Behinderung über den Schutz einer 3. Säule verfügt, kann sie einen solchen nachträglich kaum mehr aufbauen.
Gegensatz 5: Frau – Mann
Natürlich müssten Frauen und Männer längst gleichberechtigt sein. Die Bundesverfassung sieht dies seit einigen Jahren ausdrücklich vor. Dass die Realität eine andere ist, ist allgemein bekannt. Nach wie vor erhalten Frauen in vielen Stellen einen tieferen Lohn oder werden in anderer Weise Männern gegenüber benachteiligt.
Im 3-Säulen-Konzept sind Frauen und Männer in sehr weiten Bereichen gleichgestellt. Rechtlich gesehen fällt einzig der Unterschied im Pensionierungszeitpunkt ins Gewicht. Ob es richtig ist, für Frauen und Männer dasselbe Pensionierungsalter vorzusehen, ist eine politische Frage, über die nach wie vor heftig gestritten wird. Faktisch sind aber die Frauen punkto Altersvorsorge schlechter gestellt, weil sie überdurchschnittlich häufig keine Erwerbstätigkeit ausüben, in Teilzeitstellen arbeiten oder weniger verdienen als Männer.
Gegensatz 6: Schweiz – Ausland
Die Anknüpfung an die Schweiz hat im 3-Säulen-Konzept eine grosse Bedeutung. So ist etwa bei der AHV nur obligatorisch versichert, wer in der Schweiz wohnt oder arbeitet. Gewisse Renten werden nicht ins Ausland ausbezahlt. Schweizer Bürgerinnen und Bürger können – in einem engen Rahmen – Lücken in ihren AHV-Beiträgen nachträglich auffüllen, was für Ausländerinnen und Ausländer nicht möglich ist. Mit vielen Ländern bestehen aber staatsvertragliche Regelungen, welche die Unterschiede zwischen Schweizern und Ausländern aufheben.
Gegensatz 7: Umlageverfahren – Kapitaldeckungsverfahren
Bei diesen Begriffen geht darum, wie die Leistungen finanziert werden. Sollen sie durch die laufend eingehenden Beiträge gedeckt werden? Oder soll jede versicherte Person die ihr später zustehenden Leistungen selbst vorfinanzieren?
Beim Umlageverfahren werden die Renten eines laufenden Jahres mit den im selben Jahr eingehenden Beiträgen finanziert. Nach diesem System funktioniert die AHV. Was sie im Jahr 2000 ausgibt, nimmt sie im Jahr 2000 durch Beiträge ein. Deshalb verfügt sie über ein Deckungskapital, das lediglich eine Jahresausgabe ausmacht (AHV-Fonds). Sinkt die Zahl der Erwerbstätigen, gehen weniger Beiträge ein. Steigt zusätzlich die Lebenserwartung, weil immer mehr Rentnerinnen und Rentner zu versorgen sind, bringt dies die AHV in ernste Schwierigkeiten. Dann ist eine rasche Neuordnung der Finanzierung zwingend nötig.
Nach dem Kapitaldeckungsverfahren funktioniert die 2. Säule, die berufliche Vorsorge. Hier sparen die Versicherten mit ihren Beiträgen individuelles Kapital an, das im Rentenfall ausbezahlt wird. Das Deckungskapital gibt die Sicherheit, dass die Versicherung die Renten beim Eintritt des Anspruchs tatsächlich zahlen kann. Der Nachteil liegt darin, dass der Wert des angesparten Kapitals in grossem Mass von der Wirtschaftsentwicklung abhängt, dass das Inflationsrisiko nicht berücksichtigt werden kann und dass die Verwaltung ziemlich teuer ist.