Der ehemalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic ist tot. Das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag bestätigte am Samstag entsprechende Medienberichte aus Serbien. Der Belgrader Radiosender B92 hatte zuvor gemeldet, dass Milosevic gegen 09.30 Uhr am Vormittag tot in seinem Bett in seiner Zelle gefunden worden sei. Er sei mehrere Stunden zuvor gestorben.
Das Tribunal erklärte, der 64-Jährige sei vermutlich eines natürlichen Todes gestorben. Eine Autopsie und eine toxikologische Untersuchung wurden angeordnet.
Behandlung in Moskau vom Tribunal abgelehnt
Milosevic, der im Juni 2001 vom vor drei Jahren ermordeten Ex-Premier Zoran Djindjic an das UNO-Tribunal ausgeliefert wurde, litt unter Bluthochdruck und Herzproblemen. Das UNO-Tribunal hatte am 24. Februar einen Antrag von Milosevic abgelehnt, vorübergehend in Moskau behandelt zu werden. Am 22. Februar erklärte Milosevic dem UNO-Tribunal, dass er die Befragung eines Zeugen nicht fortsetzen könne, weil er sich nicht gut fühle.
Milosevic wurde 1999 als erstes amtierendes Staatsoberhaupt wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Tribunal in Den Haag angeklagt. Im Herbst 2000 wurde er als serbischer Präsident abgewählt und gestürzt. Dem Ex-Präsidenten Serbiens und Jugoslawiens wurden insgesamt 66 Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo in den 90er Jahren zur Last gelegt. Im Falle des Bosnien-Krieges wurde er auch wegen Völkermordes angeklagt.
Urteil wäre in einigen Monaten erwartet worden
Der seit Februar 20002 laufende Prozess gegen ihn wurde aus gesundheitlichen Gründen etliche Male unterbrochen. Im Falle eines Schuldspruchs drohte ihm lebenslange Haft. Ein Urteil wurde in einigen Monaten erwartet. Milosevic verteidigte sich selbst.
In einer ersten Reaktion sagte die EU-Ratsvorsitzende und Außenministerin Plassnik am Rande des Außenministertreffens in Salzburg, der Tod von Milosevic "ändert nichts an der Notwendigkeit für Belgrad, mit dem Erbe der Vergangenheit abzuschließen, deren Teil Milosevic war". Der serbisch-montenegrinische Außenminister Vuk Draskovic reagierte ebenfalls in Salzburg mit den Worten: "Es fällt mir schwer, das zu kommentieren, da er schuld an Attentaten auf meine Parteianhänger und Verwandten ist und sogar meine Ermordung in Auftrag gegeben hat".
In Kroatien herrscht Einigkeit, dass Milosevic der Gerechtigkeit entkommen ist. "Es ist schade, dass er seine verdiente Strafe nicht bekommen hat", sagte der kroatische Ministerpräsident Mesic gegenüber der kroatischen Nachrichtenagentur HINA. Ähnlich äußerte sich der Präsident Bosnien-Herzegowinas, Sulejman Tihic, der bedauerte, dass Milosevic nun nicht mehr sein gerechtes Urteil erhalten werde.
Bruder gibt dem Tribunal die Schuld
Der EU-Außenpolitikbeauftragte Solana, der während des Bombardements gegen Jugoslawien NATO-Generalsekretär war, zeigte sich betroffen: "Ich hatte sehr lange eine sehr komplizierte Beziehung zu ihm. Er ist in sehr intensiver Weise Teil meines Lebens gewesen". "Das Ableben eines Menschen ist immer eine traurige Nachricht", fügte er hinzu. Der in Moskau lebende Bruder von Milosevic, Borislav, beschuldigte das Haager Tribunal: "Die ganze Verantwortung liegt beim Haager Tribunal", sagte Borislav Milosevic gegenüber der serbisch-montenegrinischen Presseagentur Tanjug. Der ehemalige jugoslawische Botschafter in Russland war bis zuletzt bemüht, seinen Bruder in Moskau ärztlich behandeln zu lassen.
Auch die Sozialistische Partei Serbiens (SPS) von Milosevic machte das Haager Tribunal verantwortlich. Der Beschluss des UNO-Tribunals, Milosevic nicht zur ärztlichen Behandlung nach Moskau zu lassen, sei der Unterzeichnung des Todesurteils gleichgekommen, sagte der Spitzenpolitiker Zoran Andjelkovic, einst sehr enger Mitarbeiter von Milosevic.