sonnetLXVI

SONNET LXVI

Tired with all these, for restful death I cry,
As, to behold desert a beggar born,
And needy nothing trimm’d in jollity,
And purest faith unhappily forsworn,
And gilded honour shamefully misplaced,
And maiden virtue rudely strumpeted,
And right perfection wrongfully disgraced,
And strength by limping sway disabled,
And art made tongue-tied by authority,
And folly, doctor-like, controlling skill,
And simple truth miscall’d simplicity,
And captive good attending captain ill:
Tired with all these, from these would I be gone,
Save that, to die, I leave my love alone.

William Shakespeare

LXVI. SONETT

Müde von alle diesem wünsch’ ich Tod:
Verdienst zum Bettler sehn geboren werden,
Und hohle Dürftigkeit in Grün und Rot,
Und wie sich reinste Treu entfärbt auf Erden,
Und goldnen Ehrenschmuck auf Knechteshaupt,
Und jungfräuliche Tugend frech geschändet,
Und Hoheit ihres Herrschertums beraubt,
Und Kraft an lahmes Regiment verschwendet,
Und Kunst im Zungenbande der Gewalt,
Und Schulenunsinn, der Vernunft entgeistert,
Und schlichte Wahrheit, die man Einfalt schalt,
Und wie vom Bösen Gutes wird gemeistert:
Müde von alle dem, wär Tod mir süß;
Nur, daß ich sterbend den Geliebten ließ!

Nachdichtung.

Ode an die Wiedererstandenen

Ode an die Wiedererstandenen

Die Nacht ist der Tod des Tages,
Die Berge sind der Tod der ältesten Vögel.

Jene Witwen, die sich still beklagend zum Gebet
waschen,
Sind der Tod ihrer seligen Gatten.

Geliebt werdet ihr hellblau, jeden Sommer,
Die Ähre ist der Tod des Weizens.
Ihr begreift nicht wie, ihr seht nicht: auf der Sonne
Ist Dienstag der Tod von Montag.

Eisig kalte, eisig dunkle
Einsamkeit ist der Tod jener schönen Helle.

Leben, Leben, dreißig Jahre, fünfzig Jahre, achtzig
Jahre
Sind deinetwegen der Tod der Liebe.

Fazil Hüsnü Daglarca
(Übertragung: Yüksel Pazarkaya)

Nänie

Nänie
(1799)

Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter
bezwinget,
Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,
Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.
Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,
Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.
Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klagelied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich.
Denn das Gemeine geht Hanglos zum Orkus hinab.

Friedrich Schiller

Mein Rat

Mein Rat
(ca. 630 v. Chr.)

Das Endeziel von allem ist, o Sohn,
Beim hohen Zeus; der stellts, wohin er will.
Der Mensch ist sinn-los. Immer leben wir
Nur einen Tag und wissen nicht, wie Gott
Mit einem Sterblichen es enden werde.
Indessen nährt die süße Trügerin,
Die Hoffnung uns, auch wenn zum Nichtigen
Wir streben. Dieser hofft den nächsten Tag;
Der andre künftger Sommer Ernten; da
Ist keiner, der sich nicht beim neuen Jahr
Ein freundliches, ein segenreiches Glück
Verheiße. Jenen rafft indes das Alter weg,
Eh er zum Ziel gelangte; diesen zehrt
Die Krankheit auf. Die zähmt der wilde Mars
Und sendet sie zur Totenschar hinab
In Plutos unterirdisch-schwarzes Haus.
Die sterben auf dem Meer: der Sturm ergriff,
Die schwarze Welle riß sie fort mit sich;
Hin ist ihr Leben, ihre Hoffnung hin.
Der greift, unglücklich Schicksal! selbst zum Strick
Und raubt sich selbst der schönen Sonne Licht.
Nichts ist von Plagen frei: zehntausende
Der Tode stehn, ein unabwendbar Heer

Von Schmerz und Plagen stehn dem Sterblichen
Ringsum. O glaubten meinem Rate sie,
So liebte keiner doch sein Unglück selbst
Und zehrte sich das Herz in Unmut ab.

Semonides von Amorgos
(übertragen von Johann Gottfried Herder)

Ossip Mandelstam

WIE KANN ich die Tote, die Frau nun noch loben?
Sie steht dort in Fremdheit, ist Macht …
Ins Grab, in ein warmes, gewaltsam gezogen
Von seltener Liebe und Kraft.

Gerundete Brauen, beharrlich: zwei Schwalben –
Die flogen vom Sarg her zu mir:
Zu lang schon hätt man sie dort oben gehalten
Im kalten Stockholmer Quartier.

Die Geige der Väter: der Stolz deiner Sippe –
Ihr Hals gab sein Schönsein dir hin,
Du öffnetest lachend die zierlichen Lippen,
Italisches, russisches Kind.

Dein lastendes Bild will ich immer bewahren,
Du Bärenkind, Wildling, Mignon –
Doch Mühlen im Schnee werden Winter erfahren,
Vereist ist dein Horn, Postillion.

Ossip Mandelstam
(Übertragung: Ralph Dutli)

Mutterns Hände

Mutterns Hände

Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm –
un jewischt und jenäht
un jemacht und jedreht…
alles mit deine Hände.

Hast de Milch zujedeckt,
uns Bonbongs zujesteckt
un Zeitungen ausjetragn –
hast die Hemden jezählt
und Kartoffeln jeschält…
alles mit deine Hände.

Hast uns manches Mal
bei jroßen Schkandal
auch’n Katzenkopp jejeben.
Hast uns hochjebracht.
Wir wahn Stricker acht
sechse sind noch am Leben…
alles mit deine Hände.

Heiß warn se un kalt
Nu sind se alt
nu bist du bald am Ende.
Da stehn wa nu hier,
und denn komm wir bei dir
und streicheln deine Hände.

Kurt Tucholsky

Richtung

Eine Richtung
(ca. 510 v. Chr.)

Nun sind mir die Schläfen beide grau, das Haupthaar weiß geworden,
Alt die Zähne und der Jugend Wohlgefühl hat mich verlassen.
Deshalb stöhn ich oft und fürchte mich vor Hades’ dunklen Gründen.
Denn dort wohnt das Grauen, mißlich ist der Weg, der in die Tiefe
Leitet, denn er wird in einer Richtung, abwärts nur, begangen.

Anachreon von Teos
(übertragen von Herrmann Fränkel)

Fang Guan

Abschied vom Grabe des Fang Guan

Einsam das Grab, an dem das Pferd gezügelt
in fremdem Land: denn wieder heißt es scheiden.
Von frischen Tränen bleibt kein Fleck verschont,
im niedern Himmel Wolkenfetzen treiben.

Der einst mit einem Xie An Schach gespielt,
bringt einem Xu Jun das begehrte Schwert:
allein er sieht des Haines Blüten fallen,
Pirole er zum Abschied zwitschern hört.

Du Fu

Morte

Sur une morte

Elle était belle, si la Nuit
Qui dort dans la sombre chapelle
Où Michel-Ange a fait son lit,
Immobile, peut être belle.

Elle était bonne, s’il suffit
Qu’en passant la main s’ouvre et donne,
Sans que Dieu n’ait rien vu, rien dit,
Si l’or sans pitié fait l’aumône.

Elle pensait, si le vain bruit
D’une voix douce et cadencée,
Comme le ruisseau qui gémit.
Peut faire croire à la pensée.

Elle priait, si deux beaux yeux,
Tantôt s’attachant à la terre,
Tantôt se levant vers les cieux,
Peuvent s’appeler la priére.

Elle aurait souri, si la fleur
Qui ne s’est point épanouie

Alfred de Musset

Sonet XXX

Sonnet XXX

 

When to the sessions of sweet silent thought
I summon up remembrance of things past,
I sigh the lack of many a thing I sought,
And with old woes new wail my dear time’s waste:
Then can I drown an eye, unused to flow
For precious friends hid in death’s dateless night,
And weep afresh love’s long since cancell’d woe,
And moan the expense of many a vanish’d sight:
Then can I grieve at grievances foregone,
And heavily from woe to woe teIl o’er
The sad account of fore-bemoaned moan,
Which I new pay as if not paid before.
But if the while I think in thee, dear friend,
All losses are restored and sorrows end.

William Shakespeare

XXX. Sonett

Wenn ich in schweigender Gedanken Rat
Erinnrung des Vergangnen traulich lade,
Beseufzend was entflohn mir nie mehr naht,
Neu klagend alte Weh’n versunkner Lebenspfade:
Dann netz’ ich wohl versiechte Augenlider
Um teure Freund’ in Todesnacht gehüllt;
Es weinen, längst erstickt, der Liebe Schmerzen wieder,
Der Gram um manch dahingeschwunden Bild.
Dann kann ich leiden um vergangnes Leid,
Die trübe Summe vorbeklagter Klagen
Von Weh zu Weh ziehn mit Betrübsamkeit,
Sie zahlend wie noch niemals abgetragen.
Doch, teurer Freund! gedenk’ ich dein dabei,
Ersetzt ist alles, und ich atme frei.

 

Nachdichtung: