Ex-Novell-Chef erkannte früh das Potenzial vernetzter PCs
Ray Noorda, Gründer des Netzwerkspezialisten Novell, ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Er litt seit längerer Zeit an Alzheimer und einer Herzkrankheit. Von 1983 bis 1995 leitete der Mormone den Netzwerkspezialisten und brachte mit "Netware" die erste bedeutende Netzwerksoftware für Personalcomputer heraus.
Als "roter Kontinent" wurde die breite Anwenderschaft von Novell Netware Anfang der 90er Jahre bezeichnet – wegen der Farbe des Novell-Logos. Auf rund 95 Prozent aller PC-Netze lief damals das System und hatte 80 Millionen Nutzer. Dabei hatte alles klein angefangen.
Mormone aus Utah
Die Karriere Noordas begann im Mormonenstaat Utah, Heimat von Hightech-Veteranen wie Atari-Spieleprogrammierer Nolan Bushnell und Internetunternehmer James Clark, dem Gründer von Netscape. Noorda, Ingenieur und Geschäftsmann mit Berufserfahrung bei General Electric, übernahm 1983 im Alter von 55 Jahren Novell Inc., eine schlecht gehende Firma, die Hardware für das Betriebssystem CP/M herstellte.
Den Erfolg brachte ausgerechnet ein Auftrag für Videospiel-Terminals, mit dem sich Noorda im gleichen Jahr an den Boom der Unterhaltungsbranche anzuhängen gedachte: Seine drei jungen Spieleentwickler Kyle Powell, Drew Major und Dakle Neibaur hatten spaßeshalber begonnen, ihre Computer miteinander zu verbinden, um beim Spielen gegeneinander antreten zu können.
Spieler erfanden Netware
Entstanden war Netware, ein – verglichen mit den damals bestehenden Unix-Systemen – anspruchsloses Netzwerkbetriebssystem für PCs. Dass sich Netware so stark verbreiten konnte, lag jedoch an Noordas Strategie: Novell verzichtete auf eigene Hardware; alles was das System benötigte waren ein IBM-kompatibler PC und Ethernet-Netzwerkkarten, die damals wie heute billig gehandelt wurden.
Sein Konzept taufte er "Coopetition" – ein Kunstwort aus "Competition" (Wettbewerb) und "Cooperation" (Zusammenarbeit). Händlernetze und Kooperationen mit IBM, Microsoft und Sun brachten Netware den gewünschten Erfolg. Die Alleinherrschaft währte aber nur knapp zehn Jahre: Anfang der 90er Jahre brachte Microsofts "Windows for Workgroups" erste Netzwerkfähigkeiten. Mit der Ankündigung von Windows NT bedrohten die Redmonder Novells Kerngeschäft.
Angriff statt "Coopetition"
Noorda reagierte mit einem spektakulären Gegenangriff. Um dem Rivalen in Sachen Netzwerkkompetenz den Rang abzulaufen, erwarb er mit Digital Research den Hersteller einer Alternative von MS-DOS und kaufte von AT&T die Rechte an Unix. Mit der Textverarbeitung Word Perfect sowie der Tabellenkalkulation Quattro Pro griff er gleichzeitig Microsofts Geschäft für Bürosoftware an.
Zehn Milliarden Dollar kostete Noordas Zwei-Fronten-Krieg gegen Microsoft, doch die Strategie ging nicht auf: Die bunt eingekaufte Software passte weder zur Kundschaft noch zueinander. 1994 verlor Noorda seinen Chefposten, seine teuren Projekte wurden weit unter Einkaufspreis verscherbelt: Die kanadische Firma Corel erwarb Word Perfect, Unix ging an SCO. Novell konzentrierte sich wieder auf Netware.
Späte Genugtuung
Ein Superbetriebssystem für den PC aus Unix und Netware war Noordas gescheiterte Vision. Dass sich seine alte Firma 2003 ausgerechnet durch den Erwerb des deutschen "Suse Linux" neu positionierte, um dem Druck durch Microsoft Windows 2000 und XP standzuhalten, hätte ihm wohl späte Genugtuung verschafft. Doch der gläubige Mormone hat es nicht mehr mit wachem Geist erlebt.